Die Rheinbahn macht in digital, nur leider ohne erkennbare Strategie

Vor 12 Jahren habe ich auf meinem G1, dem ersten Android Smartphone überhaupt, ein #Rheinbahn #Handyticket zu 2,30 EUR bestellt, um an einem Freitagabend von einem Abendessen mit Freunden nach Hause zu fahren.

Mein erste Handyticket vom 30.04.2010

Seither habe ich über die App zig Einmalfahrten und Mehrfartenkarten bezogen und allein in den letzten fünf Jahren gut 450,- EUR als Gelegenheitsfahrer an den Anbieter HanseCom bezahlt.

Für die Rheinbahn ist das HandyTicket somit ein zusätzlicher, digitaler Vertriebskanal, mit dem Nutzer Tickets mobil erwerben und verwalten können.

Im großen und ganzen funktioniert die App, wenn auch es immer wieder mal Probleme mit dem Login via PIN gab, die Usability gewöhnungsbedürftig ist und es in jüngster Zeit zu Doppelbuchungen kam, weil die Anwendung nur mit Verzögerung auf Eingaben reagierte.

Schulnote: Befriedigend

Aufgrund dieser durchwachsenen Performance kann ich nachvollziehen, dass die Rheinbahn etwas eigenes auf die Beine stellen möchte, um digitaler und kundenfreundlicher zu werden.

Aber jetzt wird es unübersichtlich, denn es gibt heute die Rheinbahn App (2,0), die Rheinbahn Fahrplanauskunft (2,5), redy (3,0), Fahrtwind by Rheinbahn (4,7) und neben dem Handyticket (1,8) auch noch Apps von Drittanbietern wie die VRR App (3,1), Ticket NRW (3,9) von der Deutschen Bahn, mobil.NRW (2,6) vom VRR und DB NRWay (3,5).

Na, fällt was auf?

Richtig, die Rheinbahn eigenen Apps sind durchweg schlechter bewertet als die etablierten Angebote vom VRR oder der DB. Die Selbstbeweihräucherung der Kommunikationsabteilung in der Fahrtwind App ignoriere ich an dieser Stelle mal, da diese keinerlei praktischen Nutzen hat. Aber gut, es ist der Auftrag von Corporate Communications in allen Großunternehmen, sich mit sich selbst zu beschäftigen.

Ich schreibe diese Zeilen daher, um mir einen Überblick zu verschaffen, welche App welchen Anwendungsfall unterstützt, um dann als mündiger Konsument die passende Anwendung wählen zu können.

Heute habe ich nämlich für die Familie die 9-Euro-Tickets über die Rheinbahn Website gekauft, denn dort gibt es noch einen weiteren Shop, in dem man per Kreditkarte oder PayPal bezahlen kann.

Der Rheinbahn.de Shop

Login zum rheinbahn.de Shop

Die Anmeldung ist interessant gestaltet:

  1. Es ist nicht derselbe Login (und auch nicht dieselbe Datenbasis) wie in der Rheinbahn App, wie ich später feststellen durfte.
  2. Sichtbare Sicherheitscodes (Captcha Codes) sind so 2010 … stattdessen nutzt man heutzutage unsichtbare Captchas, wie z.B. reCAPTCHA von Google (ja ja ich weiß, amerikanische Anbieter sind alle böse und der Datenschutzbeauftragte schreit lauf auf …), oder aber die deutsche Alternative Friendly Captcha.
  3. Ein nachträglicher Aufruf / Download des 9-Euro-Tickets ist nicht möglich. Immerhin wurden diese aber auch per E-Mail zugestellt.
  4. Eine Übertragung von gekauften Tickets an die Rheinbahn App findet nicht statt.
Übersicht einer Bestellung im Rheinbahn Shop

Insgesamt wirkt der Shop etwas altbacken.

Schulnote: Befriedigend

Zwischenstand

In beiden Rheinbahn eigene Apps (Rheinbahn App + redy App) und im Shop gibt es mit der E-Mail Adresse eine einzigartige ID, um den Austausch von Daten und insb. Tickets zu ermöglichen. Dass dies nicht möglich ist, lässt vermuten, dass es erhebliche Mängel in der zugrundeliegenden IT-Architektur, ein mangelndes Verständnis der Kundenbedürfnisse, einen fehlenden (politischen) Willen oder aber ein Gegeneinander der Abteilungen gibt.

Dass ein Monopolist Kundenwünsche ignoriert ist erstmal nicht ungewöhnlich, dass aber die öffentliche Hand angesichts der jährlichen Millionen-Subventionen nicht verstärkt auf die Kundenfreundlichkeit der ÖPNV-Angebote achtet, wirft kein gutes Licht auf die Aufsichtsräte und Fachpolitiker.

Politiker-Bashing und Lästern über den Öffentlichen Dienst ist aber ein anderes Thema, daher zurück zur Digitalisierung der Kundenbeziehungen mit der Rheinbahn.

Die Rheinbahn App

Die App ist etwa ein halbes Jahr alt und wird seither regelmäßig aktualisiert. Die Bewertung von (2,0) im Google Playstore kommt nicht von ungefähr, da viele Nutzer erheblich Probleme mit der Anwendung haben.

Einige der in den Bewertungen beschriebenen Probleme kann ich nachvollziehen:

  • Eine erneute Registrierung ist ärgerlich, insb. wenn ein unnötig kompliziertes Passwort verlangt wird. D.h. man kann nicht die Zugangsdaten von rheinbahn.de weiterverwenden und auch die Registrierung aus der alten App ist obsolet.
  • Es ist in der E-Mail Bestätigung einer erfolgreichen Registrierung völlig unklar, wer sich hinter „handyticket-rheinbahn@o-ton-online.de“ verbirgt. Das ist offenkundig nicht die Rheinbahn sondern ein Dienstleister, aber unterschrieben wird mit Rheinbahn. Ein bisschen mehr Transparenz wäre nicht verkehrt.
Rheinbahn Bestätigungsmeldung „Registrierung erfolgreich!
  • Die Eingabe eines Zahlverfahrens, z.B. einer IBAN für das Lastschriftverfahren verwirrt mit in der Zeile verrückten Zeichen und dürfte den ein oder anderen an dieser Stelle abbrechen lassen.

Positiv ist das scheinbar vollständige Angebot an Tickets und auch das neue entfernungsbasierte Abrechnungsmodell eezy.NRW wird unterstützt. Im Vergleich zur redy App fehlt allerdings die Buchungsmöglichkeit weiterer Mobilitätsanbieter. Bei der Kompatibilität mit verschiedenen Smartphones und der Usability ist noch Luft nach oben und auch der Abgleich mit dem rheinbahn.de Shop ist aus meiner Sicht eher Pflicht denn Kür. Aber das sind die berühmten, niedrig hängenden Früchte, die sich schnell pflücken ließen.

Für den Anwender, der sich ausschließlich mit der Rheinbahn im Stadtgebiet Düsseldorf bewegt, scheint die App gut geeignet zu sein, wenn sie einmal in Ruhe eingerichtet wurde.

Schulnote: Befriedigend plus

Die redy App

Mit der redy App bietet die Rheinbahn ihren Nutzern die Möglichkeit, nicht nur Tickets für Bus und Bahn zu lösen, sondern auch auf die Dienste von Taxi Düsseldorf, Nextbike, Tier, VOI sowie Miles zuzugreifen aber auch eddy E-Roller von den Düsseldorfer Stadtwerken zu buchen.

Tickets für Kinder und Zusatztickets sowie das Abrechnungsmodell eezy.NRW fehlen in der App. Somit liegt der Fokus klar auf der vereinfachten Nutzung der anbieterübergreifenden Mobilitätsangebote im Stadtgebiet.

Es handelt sich also um einen hyperlokalen Ansatz, nachdem bundesweite Apps wie Reach Now (vormals Moovel) im März 2022 und myScotty mittlerweile eingestellt wurden. Multimodale Navigations-Apps sind extrem anspruchsvoll in der Umsetzung, vor allem wenn auch Zahlmöglichkeiten eingebaut werden sollen, so dass die Beschränkung auf ein bestimmtes Gebiet die Komplexität überschaubar macht.

Ob es dafür aber eine eigene Marke „redy“ braucht, die aufwändig bekannt gemacht und gepflegt werden muss, wage ich zu bezweifeln. Eine Integration er oben genannten lokalen Drittanbieter in die Rheinbahn App wäre aus meiner Sicht langfristig sinnvoller.

Es würde mich daher nicht wundern, wenn die Idee für redy aus einem teuren Projekt mit Unternehmensberatern entstanden ist, anstatt auf Kundenbedürfnisse und die hauseigenen Produktentwickler zu hören.

Schulnote: Befriedigend

Fazit

Die Partnerschaft mit der Handyticket App scheint für die Rheinbahn keine Zukunft zu haben. Als mögliche Bezugsquelle für Tickets wird diese jedenfalls seit 2015 nicht mehr auf der Website geführt.

Screenshot rheinbahn.de > Tickets > Tickets kaufen

Stattdessen wird die neue Rheinbahn App stark beworben und auch die Redy App hat in den Schaukästen der Bus- und Straßenbahnhaltestellen weiterhin eine starke Präsenz.

Aus meiner Sicht würde es Sinn machen, die Buchung und Abrechnung von Drittanbietern in der Rheinbahn App aufgehen zu lassen und die Stammdaten sowie Buchung des rheinbahn.de Shops mit der App zu synchronisieren. Das wäre kundenfreundlich und würde die Komplexität für Kunden und Entwickler massiv reduzieren.

Darüber hinaus besteht auch das Potential die Entwicklung der Rheinbahn Fahrplanauskunft App zugunsten der integrierten Rheinbahn App einzustellen. Die knappen Ressourcen könnten somit gebündelt werden, um eine hyperlokale Mobilitätslösung anzubieten, die einen größtmöglichen Kundennutzen stiftet.

Ich werde jedenfalls mein verbliebenden Handyticket Fahrten aufbrauchen und dann meinen Account löschen. In Zukunft werde ich dann nur noch die Rheinbahn App nutzen.

Ein Gedanke zu „Die Rheinbahn macht in digital, nur leider ohne erkennbare Strategie“

  1. Die Redy App sieht endlich mal hübsch aus und hat dieses extrem altbackene Flair der RheinbahnApp nicht mehr. Außerdem kann man in Echtzeit sehen, wann der Bus bzw die Bahn kommt. Wenn man wie ich meistens mit dem Bus fährt und an den Haltestellen keine Angabe ist, ist das schon mal Gold wert.

    Was mich daran aber wahnsinnig aufregt und was ich denen auch schon mehrfach mitgeteilt habe: Man kann darüber nur ein Ticket für sich selbst kaufen.

    Auf den ersten Blick mag das nicht so wichtig erscheinen, als Familie ist das aber einfach nur nervig. Wir sind vier Leute. Das kleine Kind braucht noch nicht zu bezahlen, das große aber schon. Ein Monatsticket lohnt sich für keinen von uns, wir fahren aber trotzdem ab und zu mit Bus und Bahn. Wenn ich also mit meinem Sohn zusammen fahren möchte, muss ich ihm entweder ein Papierticket kaufen oder auf die Rheinbahn App zurückgreifen. Das ist doch total dämlich! Da sowieso nur ein QR-Code generiert wird, dürfte das doch kein Problem sein. Angeblich ist der Sinn dahinter, dass ich über Redy ja auch einen Roller oder ein Fahrzeug mieten könnte und das da laut Vertrag nicht erlaubt ist.

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